Ostern in Flandern, das ist, wie fast alles andere auch, gaaaanz anders als
hier.
Erstens ist selbstverständlich das Wetter immer sehr schön. Völlig klar. Das
ist auch nötig, weil sonst die Glocken ...., aber davon später.
Zweitens, Osterhase. Hahahaaa, da lachen ja die Hühner. Eierlegende Hasen.
Wenn ich gehässig wäre, würde ich jetzt eine schräge Bemerkung über
bestimmte Volksstämme machen, denen man alles mögliche weißmachen kann, aber
das verkneife ich mir natürlich. Nee, also echt, wie KANN man nur an den
Osterhasen glauben. Tsss tsss tsss.
Also, eigentlich bin ich immer so höflich gewesen, die hiesigen Eingeborenen
in ihrem Hasenglauben zu lassen. Man will ja die Landesbräuche respektieren
und so. Aber wenn man so formell dazu aufgefordert wird, an der öffentlichen
Aufklärung mitzuwirken. Ja, dann kann ich mich freilich nicht länger bedeckt
halten.
Nun, in Flandern weiß jedes Kind, jeder Erwachsene und jedes Tier, dass sich
das mit den Ostereiern völlig, aber dann auch wirklich VÖLLIG anders verhält.
In Wirklichkeit ist das nämlich so:
Vielleicht ist schon mal einer von euch am-Hasen-Aberglauben-hängenden zu
Karfreitagnachmittag in einen katholischen Gottesdienst gewesen. Jaja,
freilich, die Protestantischen selbstverständlich nicht. Weil das sowieso
Heiden sind und keine Ahnung von nichts haben. So habe ich das zumindest in
meiner katholisch bestens beschützten Kindheit gründlich gelernt und also
wird das wohl so sein. Vermutlich haben die deswegen auch das mit dem
Osterhasen aufgebracht. Weil die eben nie an Karfreitag in eine
katholische Kirche gehen und daher nicht Bescheid wissen können. Vielleicht
hat aber auch der Luzifer das mit den Calvin und den Luther ausgeheckt, pur
um den Heiligen Vater Papst Weißnichtwie den soundsovielten an seinen
Heiligen Stuhl oder auf was der immer sitzt herum zu sägen.
Jedenfalls, wenn einer sich doch einmal am Karfreitagnachmittag in eine
katholische Kirche verirren würde, könnte er feststellen, dass von einem
bestimmten Zeitpunkt an - um genau zu sein, von der Opfergabe an - die
Messdiener nicht mehr mit den üblichen Schellen oder Glöckchen bimmeln (was
jeder Messdiener an allen anderen Tagen des Jahres, nicht nur mit der
gebotenen heiligen Inbrunst, sondern auch aus voller Kraft zu tun pflegt).
Stattdessen hört man lediglich das klägliche klappern einer schlichten
Holzrassel.
Nun, das Ertönen des ersten Klappern ist das Zeichen, auf das hin alle, ja
restlos alle Glocken, Glöckchen, Bimmel und Klingel der Gemeinde, von der
schwersten Kirchturmglocke bis zur hellsten Nonnenkloster-Tischbimmel, sich
aufmachen, um unverzüglich und eiligst nach Rom zu fliegen. Weshalb man von
dem Zeitpunkt an, bis zum ersten Bimmeln in der Osternachtsmesse in einer
braven katholischen Gemeinde auch nicht das leiseste Klingen eines
Glöckchens hören wird.
Wie..., bei euch ist das nicht so? Ich sagte ja auch "brave" Gemeinde!
Weiter will ich nichts gesagt haben.
Ja, und was tun all diese Glocken und Bimmel wohl in Rom? Genau, genau:
Ostereier abholen tun sie dort. Und zwar beim Papst höchst persönlich.
Alldieweil es zu dem Papst seinen heiligsten und ehrenhaftesten Pflichten
gehört, alle Glocken und Glöckchen der braven (ich sags ja!) katholischen
Gemeinden reichlich mit Ostereier zu versehen. Wozu haben wir denn sonst
so'n Papst, hè ? Glaubt ihr vielleicht, den halten wir uns zum Vergnügen,
lästig wie der manchmal sein kann?
Ach jaaaa, jetzt höre ich sie schon kommen, all diese Ungläubigen, Heiden
und Skeptiker, mit der hämischen Nachfrage, wo er sie denn wohl her hätte,
der Papst, die Ostereier; von der Kirchensteuer bezahlt vielleicht? Aber das
muss man ihnen nachsehen. Denn diese Naseweißchen können das freilich nicht
wissen, dass der brave Katholik in Flandern seit seines Lebens keinen Sou
(Groschen) Kirchensteuer zu zahlen hat. (Jezt könnte ich wieder so eine
hämische Bemerkung darüber machen, welche Volksstämme sich unter welchen
dümmlichen Ausreden von welchen dahergelaufenen Schwindlern wieviel Knete
aus die Tasche ziehen lassen, aber ich muss es mir leider verkneifen.)
Neeneenee, da werden keine Kirchengroschen für verschwendet. Es ist doch
wohl allgemein bekannt, dass die paar Cent, die unser Heilige Vater in
mühseliger Kleinarbeit zusammengekratzt und sich unter persönlichen
Entbehrungen vom Munde abgespart hat, ganz ausschließlich in die karge
Ausbildung von zwei oder höchstens drei Katecheten für die arme
Kinderchen in den Kongo investiert werden. Weil es der gute Heilige
Vater einfach nicht mit ansehen kann, dass all diese arme Kinderchen
ansonsten in das Fegefeuer oder schlimmeres kämen. So ist das nämlich! Ganz
genau so ist das! Wirklich!
Um nun nochmal auf die Glocken und deren Eierfracht zurück zu kommen: Ganz
klar werden die Ostereier, so in der Zeit zwischen Aschermittwoch und
Gründonnerstag von den Engelchen im Himmel angefertigt, bzw. angemalt. Die
haben in dieser Zeit sowieso nichts anderes zu tun. Und weil da eigentlich
Fastenzeit ist und deshalb ziemlich mau mit der Himmelsküche, sind die
natürlich ganz froh, wenn sie ab und an mal eines von den Eierchen stibitzen
können, wenn gerade kein Seraphin hinschaut. Oder eben so tut als ob, denn
so'n Seraphin ist doch auch kein Unmensch.
Der Transport vom Himmel nach Rom ist fast jedes Jahr ein ziemliches
Problem. Der reguläre Fahrdienst zwischen Himmel und Erde ist, zwecks
Vorbereitung der Osterfeierlichkeiten, in dieser Zeit ohnehin ausgebucht und
fährt Überstunden bis zum Anschlag. Meist läuft es darauf hinaus, dass der
Nikolaus sein Schlitten, notdürftig zusammengeschustert, wieder aus der
Werkstatt geschleppt wird. Der sieht zu der Zeit zwar immer noch ziemlich
lädiert aus, weil der Nikolaus (der, unter uns gesagt, ein miserabler
Kutscher ist) mal wieder wie die gesengte Sau über die Dächer geschmiert
ist. Aber wen kümmerts? Der Schlitten hat eine ausgezeichnete Federung und
im hektischen Osterwochengeschäft schaut da in Rom sowieso keiner so genau
hin. Hauptsache die Eier sind da.
So, das haben wir so weit. Jetzt ist also der Papst dran mit umladen. Der muss
ganz schön hinlangen, dass er rechtzeitig fertig wird, denn die Glocken haben
ja noch einen weiten Weg zurück. Und er muss es auch noch ganz allein machen,
denn die Fahrdienst-Engelchen dürfen nicht helfen. Ginge nicht, sich so zu
bücken. Wegen den kurzen Hemdchen. Ein Glück das die älteren und erfahreneren
Glocken sich ziemlich geschickt anstellen, beim sich voll machen Lassen.
Jow, und dann nicht wie ab. Das müsstest du echt mal sehen. All diese schönen
Glocken und Glöckchen, bis zum Rand voll mit den schönsten Eiern, in einer
langen Reihe in Slalom zwischen den Wolken durch. Denn in einer Regenfront
zu fliegen können sie nicht riskieren. Das gäbe ein schöne braune Soße.
(Soll ich ....? Nee, lassen wir's.) Da muss freilich nicht an Raststätten
hängen geblieben oder sonst wie herum getrödelt werden. Weil nämlich die
empfindliche Fracht pünktlich in den jeweils vorgesehen Garten und zur exakt
auf'm Bestellschein vermerkten Uhrzeit abgeliefert werden müssen. Wer fertig
ist, darf wieder an seinen angestammten Platz. Dass da dann erst einmal in
herzhaftem Creschendo gelautet, geklingelt und gebimmelt wird, dass einem
Hören und Sehen vergehen, brauche ich wohl kaum extra betonen.
Also, so ist das, also, wie sich das mit den Ostereiern in Wirklichkeit
verhält. Vonwegen Osterhase!!!!
Ach ja, bevor ich's vergesse: Nicht dass ihr euch nun am Ostermorgen zum
Fenster raushängt, um die Osterglocken beim Abbimmeln der Eier zu
beobachten! Ingottesnamen, bloß nicht! Tu's nicht ! NEIN !
Wer nämlich just in dem Moment zum Fenster raus schaut, wo gerade die
Osterglocken mit dem Abbimmeln der Ostereier beschäftigt sind, der bekommt
für mindestens eine Ewigkeit und drei Tagen einen steifen Hals. Und dass DAS
lästig ist, das könnt ihr euch wohl denken. Dieser Zauber hat nämlich dem
Teufel seine Großmutter aus Rache hingehext, nachdem mal so'n freches
Angelusglöckchen ihr ein etwas angedätschtes Ei in's Genick praktiziert hat.
Na ja, die Glocken habe auch nicht immer so die tadelose Erziehung.... Also,
wie gesagt: nicht aus dem Fenster schauen am Ostermorgen. Sonst ....... !
Tja, so ist das zu Ostern also Brauch in Flandern. Na ja, zumindest im
großen und ganzen. Die Details kennt dort freilich auch nicht jeder. Wie
auch? Die meisten sind viel zu sehr mit dem Fressen der Ostereier
beschäftigt, um nach den näheren Umstände dort in Rom zu fragen. Deinem Chef
fragst du doch auch nicht, wie er zu der Knete kommt, mit der er das
Personal bezahlt, oder. Und da wird beim Öffnen der Lohntüte wohl auch nicht
viel anderes gemurmelt werden, als bei uns beim reinschieben der Ostereier:
"Es hätten ruhig ein paar mehr sein können." Richtig?
Eine Frage bleibt zwangsläufig einstweilen noch ungeklärt. Und zwar die
Frage, wie das eigentlich die Hühner aufgenommen haben, als sie mitgekriegt
haben, wo die Ostereier herkommen.
Eine zugegebenermaßen äußerst heikle Frage. Logo dass ich mich da eines Tages
auch hinter geklemmt habe. Es war gar nicht so einfach, das heraus zu
finden. Aber der gute Leo kennt da niks. Die Wahrheit geht ihm über alles.
Da ist ihm keine Mühe zu viel. Allerdings ist dieser Aspekt der
Angelegenheit doch etwas zu kompliziert, um die hier gleich auch noch dran
zu hängen. Gelegentlich erzähle ich das auch mal.
Soviel kann ich vorweg wohl verraten: Es gab ein Heidenspektakel und um ein
Haar ...... Nee, das behalte ich nun doch für mich. Es wird nichts vorher
ausgeplaudert.
Mit allerherzlichsten vorösterlichen Grüßen
Leo zu Ostern '98
PS : Fast hätte ich das doch noch vergessen. "Frohe Ostern" heißt in
Niederländisch "zalig Paasfeest".
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